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SAB steht Wasser bis zum Hals

Die Politik hat die Mittel für geförderte Jobs drastisch gekürzt. Der SAB stehe das Wasser bis zum Hals, sagt Geschäftsführerin Karin Woyta. Sollte nicht schnell etwas passieren, sei der Fortbestand gefährdet.

 

DLG Preis big"Derzeit weiß ich nicht, wie wir weiter kostendeckend wirtschaften können. Wenn sich nichts tut, dann müssen wir überlegen, ob die SAB in dieser Form noch Bestand haben kann", sagt Geschäftsführerin Karin Woyta.
Foto: Giacinto Carlucci

Frau Woyta, die SAB steht enorm unter Druck, die finanziellen Mittel werden immer knapper. Wie ernst ist die Lage?

KARIN WOYTA: Wir haben ein Riesenproblem: Die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik wurden seit 2011 extrem gekürzt, für unsere Maßnahmen gab es seitdem keine Budgeterhöhung. Die Zuweisung vom Jobcenter ist fast um die Hälfte gesunken. Wir haben keine Finanzierung der begleitenden Sozialpädagogen mehr, ohne die unsere Arbeit aber sinnlos ist. Gerade vor dem Hintergrund, dass aufgrund der guten Konjunktur Menschen bei uns sind, bei denen ein immenser Betreuungsaufwand notwendig ist. Dies verschärft die Situation ganz dramatisch.

Dann machen Sie Arbeitsministerin Nahles für das Desaster verantwortlich? Sie hat die Budgetkürzung, die ihre Vorgängerin von der Leyen umgesetzt hat, bis heute nicht wieder rückgängig gemacht . . .

Woyta: Für mich gibt es einen eklatanten Widerspruch, was den Bedarf in der Praxis vor Ort betrifft und den, den die Bundespolitik sieht - unabhängig von Parteien. Vor Ort sagt jeder: Ihr macht tolle Arbeit, wir brauchen Euch, Ihr seid unverzichtbar, man muss sich um diesen Personenkreis kümmern. Mehr Budget gibt es aber nicht. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Sie sind doch gut vernetzt und haben auch enge Kontakte zu den Abgeordneten. Gibt es da keine Möglichkeiten?

Woyta: Vielleicht sollte ich mich zur Bundeskanzlerin wählen lassen (lacht). Nein, Spaß beiseite. Mir fällt einfach auf, dass unser Personenkreis nicht im Fokus steht und mit vielen Vorurteilen behaftet ist. Das ist meine subjektive Einschätzung und auch mein Frust in den vergangenen Jahren. Dazu kommt, dass es verschiedene Sozialgesetzbücher gibt und in unserem föderalistischem System verschiedene Zuständigkeiten. Da rennt man von einem zum anderem und alle finden die Arbeit ganz arg notwendig. Aber dann kommt die Aussage: Wir sind leider nicht zuständig. Da helfen gute Kontakte in die Politik vor Ort auch nicht viel weiter.

Was wünschen Sie sich denn von der Politik beziehungsweise was wäre aus Ihrer Sicht wirklich umsetzbar?

Woyta: Es gibt verschiedene Ansatzpunkte. In Baden-Württemberg hat man versucht, einen Passiv-Aktiv-Tausch darzustellen. Das heißt, wenn man das Arbeitslosengeld II nehmen und als Grundlage für Maßnahmen wie bei uns verwenden würde, damit wäre ein guter Teil der Finanzierung schon abgedeckt. Anstatt zu finanzieren, dass die Leute daheim sitzen, wäre es doch sinnvoller, wenn sie einen geförderten Job hätten.

Gibt es weitere Möglichkeiten?

Woyta: Ich bin der Meinung, dass in die regionale Verantwortung auch eine regionale finanzielle Verantwortung in die Arbeitsmarktpolitik einbezogen werden sollte. Im Moment ist es eine reine Freiwilligkeitsleistung, wenn wir einen Cent vom Landkreis oder von einem Bürgermeister bekommen. Ein weiterer Punkt ist das Thema Inklusion, dass meiner Ansicht nach viel zu sehr verkürzt ist auf Menschen mit Behinderung. Im Sozialgesetzbuch 9 steht drin, dass diese ein Recht auf Arbeit haben. Ich wünsche mir Chancengleichheit für alle Menschen, dass jeder Mensch die Hilfe bekommt, die er braucht, unabhängig davon, in welchem Sozialgesetzbuch er verortet ist.

Da müssen Sie sicher dicke Bretter bohren . . .

Woyta: Das SGB II, in denen die Hilfen für Langzeitarbeitslose geregelt sind, ist seit 2004 über 60 Mal überarbeitet worden. Nun stehen schon wieder Reformen an. Man ist also durchaus in der Lage, etwas zu ändern.

Wie finanzieren Sie derzeit die Arbeit der SAB?

Woyta: Wir haben beste Kooperationen, sind gut vernetzt und regional eingebettet. Dadurch fließen Spenden, ohne die es uns schon lange nicht mehr gäbe. Wie gesagt, die Jobcenter haben die Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik drastisch gekürzt. Dafür gab es keinen Ausgleich. Derzeit weiß ich nicht, wie wir weiter kostendeckend wirtschaften können.

Es gibt Kritiker, die behaupten, Beschäftigungsgesellschaften seien eine "Aufbewahrungsstelle" für Langzeitarbeitslose, die nie eine Chance auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Was entgegnen Sie ihnen?

Woyta: Die Vermittlung in Arbeit halten wir hoch. Und es schaffen immer wieder Menschen, eine feste Stelle zu bekommen - nach verschiedenen Maßnahmen und nachdem alle möglichen Probleme bearbeitet wurden. Das ist nicht aussichtslos, wir haben da genügend Beispiele.

Haben Sie auch Zahlen?

Woyta: Früher wurden zwischen 30 und 40 Prozent vermittelt, jetzt liegen wir bei rund 20 Prozent. Im Laufe der Zeit haben wir weit über 1000 Menschen vermittelt.

Wissen Sie, was mit den Menschen passiert, wenn Sie nach der befristeten Zeit bei Ihnen wieder gehen?

Woyta: Ja, wir rufen oder schreiben sie ein halbes Jahr später an. Da hören wir dann schöne Erfolgsgeschichten wie eine Übernahme in einem Betrieb oder dass ein Suchtkranker eine Therapie gemacht hat und wieder am Leben teilnimmt. Es gibt aber auch traurige Geschichten. Todesfälle, wo unser Sozialpädagoge zur Beerdigung geht, weil sonst niemand kommt.

Die Sozialpädagogen sind für Ihre Arbeit unheimlich wichtig . . .

Woyta: Ohne Sozialpädagogen geht es nicht. Sie finden den Draht zu den Menschen und versuchen, deren Probleme zu erkennen und im Idealfall "Hilfe zur Selbsthilfe" zu vermitteln.

Ist es dann überhaupt sinnvoll, dass sich "normale" Unternehmen verstärkt diesen Menschen öffnen? Zuschüsse gibt es ja. Oder sind Beschäftigungsgesellschaften wie die SAB da nicht viel besser geeignet?

Woyta: Sowohl als auch - andere Unternehmen sind da geeignet, vorausgesetzt sie sind sozial eingestellt und haben keine Vorurteile. Fakt ist: Es gibt eben bei schwer vermittelbaren Langzeitarbeitslosen Vermittlungshemmnisse wie Sucht, Erkrankungen, Schulden, die Frage der Kinderbetreuung vor allem für Alleinerziehende. Es ist ein Aufwand, diese Themen zu regulieren. Manchmal muss die "Vorarbeit" über uns geleistet werden.

Es ist sicher schwierig für diese Menschen, dass sie nach ein oder zwei Jahren die SAB wieder verlassen müssen . . .

Woyta: Genau das ist das Problem. Es muss Möglichkeiten für Dauerarbeitsplätze geben wie bei Menschen mit Behinderung. Eine, bereits praktizierte Variante ist, Menschen direkt in einer Firma zu beschäftigen und die SAB kümmert sich um sie und ihre Probleme. Es muss ein auf den Menschen zugeschnittenes Konzept, manchmal auch als Stufenmodell, sein.

Künftig werden immer mehr Flüchtlinge einen Zwischenschritt auf dem Weg in den ersten Arbeitsmarkt brauchen. Das sind doch Beschäftigungsgesellschaften wie die SAB sicher gefragt . . .

Woyta: Nicht anerkannte Flüchtlinge können bereits seit zwei Jahren gemeinnützige Arbeit bei uns leisten. Die anerkannten Flüchtlinge werden bald kommen. Auch das ist ein Grund, mehr Geld einzustellen. Unser Projekt mit Zielgruppe anerkannte Flüchtlinge im SGB II ist bereits gestartet. Die Wege in die Arbeit sind aber derzeit als Gesamtkonzept der Verantwortlichen noch kein großes Thema, momentan geht es vor allem um Unterkünfte.

Letzte Frage, Frau Woyta: Was muss passieren, damit es die SAB auch noch in fünf oder zehn Jahren gibt? Und wie schnell muss es passieren?

Woyta: Es muss ganz schnell etwas passieren, damit es uns und meine Kollegen noch eine Weile gibt. Die Politik muss für Langzeitarbeitslose etwas tun und Perspektiven bieten. Wenn sich nichts tut, dann müssen wir überlegen, ob die SAB in dieser Form noch Bestand haben kann. Und ich zähle auf die Menschen und die Verantwortung vor Ort, um diesen Zeitraum zu überbrücken. An dieser Stelle will ich mich auch bei all denen bedanken, die uns schon lange und in dieser schwierigen Situation unterstützen.


Zur Person

Karin Woyta ist seit beinahe 20 Jahren Geschäftsführerin der Staufen Arbeits- und Beschäftigungsförderung gGmbH. Die Gesellschaft wurde im Oktober 1996 am Amtsgericht eingetragen, am 2. Januar 1997 begann die Arbeit mit damals zwölf Teilnehmern und zwei Festangestellten. Heute sind es 30 Festangestellte und 170 Teilnehmer. Karin Woyta (59) ist Gartenbau-Ingenieurin. Sie lebt in Göppingen und hat eine erwachsene Tochter.

Spenden Wer für die SAB spenden will, kann dies unter folgender Bankverbindung tun: SAB gGmbH Göppingen, Kreissparkasse Göppingen, IBAN: DE60 6105 0000 0000 1364 62, BIC: GOPSDE6GXXX

Quelle: Susann Schönfelder, NWZ Göppingen | 29.02.2016